Warum dein Tier fühlt, was du fühlst
Du freust dich nach einem stressigen Tag auf die entspannte Gassirunde mit deinem Hund - aber der zieht wie ein Stier an der Leine und lässt dich beim nächsten gesichteten Hasen Bodenproben nehmen.
Endlich ist dieses ewig lange Meeting durch und Bodenarbeit mit deinem Pferd wäre jetzt genau das Richtige, um runterzufahren – aber Hotti wendet sich lieber seinen Kumpels auf der Weide zu, statt sich von dir aufhalftern zu lassen.
Du hast in einer halben Stunde einen Tierarzttermin mit deiner Katze und willst sie nur noch schnell in die Box packen – aber Mieze lässt sich seltsamerweise schon seit einem halben Tag nicht mehr blicken.
Kommt dir irgendwas davon bekannt vor?
Könnte es vielleicht sogar einen Zusammenhang zwischen deinem Gefühlsleben und dem deines Tieres geben?
Ja, definitiv.
Verantwortlich hierfür sind die sogenannten “Spiegelneurone“, die Stimmungen von Lebewesen zu Lebewesen übertragen.
Diese Übertragung kann manchmal ungünstig sein - siehe die Beispiele oben - aber du kannst sie auch sinnvoll einsetzen.
Hier erfährst du, wie - nach ein wenig erhellender Theorie. 😉
Inhalt
Du kannst nicht NICHT kommunizieren
Erhellende Theorie
Warum gähnen wir, wenn andere gähnen?
Warum öffnen wir den Mund, wenn wir ein Baby mit dem Löffel füttern?
Warum nehmen wir unbewusst die Körperhaltung des - uns sympathischen - Gegenübers ein?
Verantwortlich hierfür sind die sogenannten “Spiegelneurone“ - kleine Nervenzellen im Gehirn, die uns Intuition, Vertrauen und Empathie ermöglichen.
Giacomo Rizzollatti entdeckte und benannte sie 1992, nachdem er folgenden Versuch durchgeführt hatte:
Affen nahmen eine Erdnuss von einer Fläche und aßen sie dann.
Artgenossen beobachteten diesen Vorgang hinter einer Glasscheibe.
Dabei maß er die Hirnströme beider Gruppen und stellte fest, dass die neuronalen Abläufe in beiden Fällen identisch waren.
Die Affen hinter der Scheibe erlebten die Bewegungsmuster also mit, ohne sie selbst auszuführen.
In späteren Versuchen - auch bei Menschen - stellte sich sogar heraus, dass Handlungen noch nicht einmal vollständig beobachtet werden müssen, um die besagten Neurone zum Feuern anzuregen.
Das erklärt unter anderem auch, warum das Beobachten eines Teils einer Handlungssequenz ausreicht, um entsprechend zu reagieren. Wir spüren intuitiv, wie sich das Ganze fortsetzen wird.
Hier ein sehr einfaches Beispiel:
Jemand läuft schnurstracks auf dich zu - intensivst mit seinem Handy beschäftigt. Dir ist sofort klar, dass er dich nicht wahrgenommen hat und du weichst aus, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Für uns ein völlig normaler Vorgang - der im Unterbewusstsein abläuft - und bei dem unsere Spiegelneurone am Werk sind.
Die wurden anfangs übrigens nur für das Nachahmen von Bewegungsmustern verantwortlich gemacht. Inzwischen weiß man, dass sie auch bei der Übertragung von Gefühlen eine Rolle spielen.
Wir leiden mit, wenn uns jemand von traumatischen Erlebnissen erzählt - weinen, wenn andere weinen - freuen uns gemeinsam, etc.
Überall, wo Menschen zusammen sind, steigen sie früher oder später auf Stimmungen der anderen emotional ein und imitieren die zu dem Gefühl gehörenden Verhaltensweisen, z. B. Jubel oder La-Ola-Welle der Fans im Fußballstadion.
All das geschieht unbewusst und dient der Festigung und Harmonisierung sozialer Strukturen.
Genauso wie die sogenannte “Joint attention“, die auch von den Spiegelneuronen gesteuert wird. Diese “gemeinsame Aufmerksamkeit“ sorgt dafür, dass jemand unserem Blick folgt, wenn wir ihm zuvor in die Augen gesehen haben oder wenn wir auf etwas zeigen und er unsere dahinterliegende Absicht erkennt.
Warum ich dir das alles erzähle?
Nun ja, diese kleinen Neurone spielen eine große Rolle in der Mensch-Tier-Beziehung, denn sie sind nicht auf die Oberstübchen von Menschen und Affen beschränkt.
Rennt eins - rennen alle
Wenn z. B. ein Pferd in einer Herde Gefahr wittert, überträgt sich dieser “Alarm“ in Sekundenbruchteilen auf den Rest der Herde und setzt sie in Bewegung.
Kurz gesagt: Rennt eins - rennen alle.
Aber nicht nur bei Gefahr ist es wichtig, andere Herden- oder Rudelmitglieder “lesen“ zu können. Die Stimmungsübertragung unterstützt auch das harmonische Zusammenleben in der Gruppe. Denn nur wenn ein Individuum die Absichten und Gefühle des Gegenübers erkennt, kann es adäquat darauf reagieren - und überleben.
Auch bei Tieren, die nicht im gleichen Gruppenverband leben, funktioniert diese “Leitung“. Treffen zum Beispiel zwei fremde Hunde aufeinander, verständigen sie sich recht zügig auf den weiteren Ablauf der Begegnung.
Ja, auch die Körpersprache spielt hierbei eine Rolle. Doch auch sie kommt letztlich im Hirn an und wird dort verarbeitet.
Und jetzt rate mal, womit?
Spiegelneurone sind Spezies-übergreifend am Werk und sie feuern durchgehend - auf beiden Seiten.
Du kannst nicht NICHT kommunizieren
Stimmungsübertragung findet ständig statt - so wie Kommunikation.
Genau genommen ist sie ja eine Ausprägung davon.
Du kannst nicht NICHT kommunizieren - und du kannst auch nicht KEINE Stimmung übertragen.
Jede Bewegung und jede Gefühlsregung kommen bei deinem Gegenüber an - vor allem, wenn es sich dabei um ein Tier handelt.
Tiere besitzen die Fähigkeit, sich fühlend in andere hineinzuversetzen - auch in ihre Menschen.
Dein Tier erfasst immer deine echte Grundstimmung - indem es dich schon aus der Ferne abscannt - und spiegelt sie in seinem eigenen Verhalten wider.
Dann kommt es zu Verhaltensweisen, von denen ich oben schon eine erwähnte:
Dein Hund spürt deinen Stress und fährt gemeinsam mit dir hoch - zieht an der Leine, pöbelt Artgenossen an, etc.
Dein Pferd erkennt sofort, dass du noch auf 180 läufst und hat so gar keine Lust auf dich. Es bleibt lieber in seiner Herde und grast genüsslich weiter.
Deine Katze weiß genau, was ihr blüht – du hast es ihr schließlich unbewusst mitgeteilt – und erweitert lieber ihre Streifzüge, statt in einer Box zum Tierarzt zu fahren.
Übrigens funktioniert diese Leitung noch schneller und intensiver, wenn mindestens einer von euch hochsensibel ist.
Denn hochsensible Menschen und auch Tiere sind empfangsbereiter für Sinnesreize und Emotionen. Sie nehmen in Sekundenbruchteilen Energien auf und reagieren entsprechend schnell darauf.
Das kann manchmal für beide Seiten herausfordernd sein - aber ganz sicher auch eine Bereicherung.
Okay, wenn diese Übertragung sowieso durchgehend stattfindet, könntest du sie doch auch sinnvoll einsetzen.
Indem du dich zum Beispiel in eine Stimmung bringst, in der du dich für dein Tier gut anfühlst - und ihm genau das vermittelst, was es gerade braucht: Sicherheit, Orientierung, Gelassenheit, Ruhe, …
Denn:
Bist du wirklich entspannt, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dein Tier.
Falls du dich jetzt fragst, wie du das am besten anstellst - here we go!
So fühlst du dich für dein Tier gut an
Dein Vierbeiner sucht bei dir, was er von einem Leittier gewöhnt ist:
Sicherheit und Orientierung.
Kannst du ihm das vermitteln, ist es bereit, dir vertrauensvoll zu folgen.
Ein Leittier gerät nicht völlig aus der Fassung, weil ihm irgendetwas quer liegt. Es handelt auch in schwierigen Situationen souverän, gelassen und kontrolliert. Nur so ist das Überleben des Rudels bzw. der Herde gesichert - und darum werden auch nur solche Tiere als Leittier akzeptiert.
Sollten diese Qualitäten bei dir noch nicht ganz ausgereift sein, ist das kein Grund, verzweifelt in die Tischkante zu beißen. Du kannst all das lernen und üben.
Denn je ruhiger, entspannter und fokussierter du bist, desto besser fühlst du dich für dein Tier an - und umso mehr genießt es deine Anwesenheit und schließt sich dir bereitwillig an.
In einem Raum mit deinem Tier
Dein Tier lebt im Hier und Jetzt.
Es denkt nicht über die Vergangenheit nach und macht sich keine Sorgen um die Zukunft. Es lebt ganz im jetzigen Augenblick - und handelt entsprechend.
Auch du bist manchmal dort - z. B. wenn du ganz konzentriert bei einer Sache bist oder wenn du meditierst.
Ja, Meditation hat viele positive Auswirkungen auf alle möglichen Aspekte des Lebens - auch auf die Beziehung zu deinem Tier.
Ich wage sogar zu behaupten, dass nichts dich deinem Tier näher bringt, als Meditation. Denn sie ermöglicht dir, mit ihm einen gemeinsamen Raum zu betreten, in dem Kommunikation auf Augenhöhe und vertrauensvolles Miteinander möglich sind.
Aber vor allem bringt dir Meditation genau das, was du für dein Tier brauchst:
Ruhe - Gelassenheit - Fokus.
Das bedeutet nicht, dass du täglich eine Stunde auf einem Kissen vor dich hin ommen musst. Es gibt viele Möglichkeiten, zwischendurch mal runterzufahren. Hier zwei davon:
1. Konzentriere dich auf deinen Atem.
2. Spüre deinen Körper.
Hier findest du noch mehr dazu..
Wenn du schon eine erfolgreiche Praxis hast, die es dir ermöglich, in dir zu ruhen - prima!
Tu, was immer für dich passt - dann geh zu deinem Tier und nimm Kontakt mit ihm auf.
Gib ihm die Ruhe, Gelassenheit und Orientierung, die es braucht, indem du selbst ruhig, gelassen und fokussiert bleibst. Die Spiegelneurone erledigen den Rest und deine Stimmung überträgt sich.
Aber wenn …
Klar gibt es diese Tage, an denen einfach alles an die Wand läuft.
Und dann bring es auch nichts, deinem Tier etwas vorzumachen.
Es fühlt, was du fühlst - und wenn du ihm durch deine Körpersprache etwas anderes weismachen willst, verwirrst du es nur.
Sei authentisch und erwarte nichts.
Wenn du schräg drauf bist, überleg dir, ob du die Gassirunde oder den Ausritt noch etwas verschieben magst - und erst mal dafür sorgst, dass du wieder ganz “bei dir“ bist.
Sollte das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, nimm einfach hin, wenn deine “Tier-Zeit“ diesmal nicht zum Highlight des Tages wird.
Morgen ist ein neuer Tag - mit vielen Möglichkeiten zur Gelassenheit.
Manchmal ist auch dein Tier schräg drauf.
Auch Vierbeiner stehen mal mit dem falschen Fuß auf oder es kommt ihnen was quer.
Wenn dein Hund zum Beispiel seinem Erzfeind begegnet, dein Pferd ein lautes Geräusch hört oder deine Katze den unerwarteten Besuch nicht mag und damit deren Stresspegel hochfährt, werden sie möglicherweise nicht mehr auf deine Ruhe reagieren können.
Dann gilt es einfach durchzuhalten, bis die Situation vorbei ist und deine Fellnase danach langsam herunterzufahren.
Übrigens:
Angst, Anspannung und Stress reduzieren die Signalrate der Spiegelneurone - somit können Intuition und Empathie nicht zuverlässig wirken.
Das gilt für beide Seiten.
Sollten du oder dein Tier emotional unter Druck stehen, erschwert das also die Verständigung. Und dann ist Verständnis gefragt - für deinen Tier und auch für dich selbst.
Miteinander und voneinander lernen
Du kannst dein Tier nicht an der Nase herumführen. Und genau deshalb ist es einer der besten Lehrer - nicht nur im Bereich der Authentizität.
Achte auf deine Stimmung - auf das, was du überträgst. Die Rückmeldung deines Vierbeiners ist dir in jeder Hinsicht sicher.
Auch dein Tier teilt dir regelmäßig seine Stimmungslage mit. Hier gilt es, einfach zu spüren - und deiner Intuition zu vertrauen. Kein Fachbuch der Welt kann diese ersetzen.
Alles, was du unternimmst, um deinem Tier näherzukommen, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dir selbst.