Mentaltraining beginnt im Körper

 
 
 

Sicher kennst du die vor Stolz geschwellte Brust.
Schon kleine Kinder richten ihren Körper ganz gerade auf, wenn sie stolz auf etwas sind - für eine Leistung gelobt wurden.

Und du weißt auch, dass deine Schultern zusammen mit deiner Laune den Weg nach unten antreten.
Deine Stimmung schlägt sich auf deine Körperhaltung nieder.
Soweit so gut - nix Neues.

Aber wusstest du, dass es auch umgekehrt funktioniert?

 

Deine Körperhaltung beeinflusst deine Gefühle – positiv wie negativ

Somit kannst du durch das Ändern deiner äußeren Haltung auf deine innere Haltung einwirken.

Schon Charlie Brown war das sonnenklar!

 

Probier’s gleich mal aus. - Funktioniert, oder? 

Okay, Charly Brown mag kein Wissenschaftler sein (- aber verdammt nah dran 😉), deshalb hier ein professionelles Experiment:

Das Facial Feedback von Strack, Martin und Stepper (1988)

Die Versuchspersonen sollten - unter einem Vorwand (nennt sich auch Cover Story) und in drei unterschiedlichen Gruppen - einen Stift einmal mit den Lippen, einmal nur mit den Zähnen und einmal in der nicht dominanten Hand halten. 

Die erste Gruppe aktivierte durch das Halten mit den Lippen einen Muskel namens orbicularis oris. Dessen Aktivierung verhindert die Aktivierung eines anderen Muskels, genannt zygomaticus major, der für das Lächeln verantwortlich ist.
Heißt: Stift mit Lippen halten - du kannst nicht lächeln. 

Die zweite Gruppe aktivierte durch das Halten des Stiftes nur mit den Zähnen genau diesen Lächel-Muskel, den zygomaticus major.
Heißt: Stift nur mit den Zähnen halten - du lächelst - zumindest muskulär. 

Die dritte Gruppe, die sogenannte Kontrollgruppe, welche den Stift einfach in der Hand hielt, aktivierte dadurch - logischerweise - keinen dieser Gesichtsmuskeln. 

Danach wurden allen drei Gruppen mittellustige Cartoons von Gary Larson gezeigt. Diese sollten dann mit einem Lustigkeits-Faktor von 0 bis 9 bewertet werden. 

Ergebnis:
Die Zähne-Gruppe fand die Cartoons am lustigsten, die Lippen-Gruppe am wenigsten lustig und die Hand-Gruppe lag irgendwo dazwischen. 

Bedeutet das jetzt, dass du dir - wenn du traurig bist - einfach einen Stift zwischen die Zähne klemmst und dann ist wieder alles gut?
Nein, natürlich nicht! 

Denn zum richtigen Lächeln gehört auch noch die Aktivierung des Augenring-Muskels und um eine Stimmung effektiv aufzubauen, ist der ganze Körper gefragt. 

Aber überleg mal, wenn schon ein kleiner Teil deines Körpers so eine Macht hat, was dann erst bei vollem Körpereinsatz möglich ist.

Wir werden das gleich mal in der Praxis testen.

Aber zuvor ein wenig Theorie

Die neutrale Grundhaltung aller Wirbeltiere wird im Embodiment (Wechselwirkung von Körper und Psyche) als “entspannt aufgespannt“ bezeichnet.
(Du kannst dir das wie bei einem Schirm vorstellen.)

Bei uns aufrecht gehenden Menschen als “entspannt aufgerichtet“.

Die Knochen geben die Form, die Muskeln halten das Skelett in spontaner Reaktionsbereitschaft.

Die Tierwelt weiß das auch durchaus bewusst einzusetzen:
Der Adler ist jederzeit bereit, zu fliegen - der Delfin schwimmt im Schlaf.

Und der Mensch?
Mal abgesehen von Menschen, die in Verbindung mit der Natur leben und sich ausschließlich aus eigener Kraft bewegen - wie einige Volksstämme - verlieren die meisten diese Leichtigkeit der Haltung und Bewegung - und damit auch die des Seins.

Dabei kommt (fast) jedes Kind mit gleicher Grundhaltung zur Welt.
Und sobald es krabbelt, tut es dies mit seiner kompletten Muskulatur.
Wenn es dann laufen kann, läuft es mit der Aufspannung und Leichtigkeit eines jungen Wirbeltieres - absolut perfekt.

Ein Kleinkind lebt alle Gefühle über den kompletten Körper aus. Wenn es lacht, tut es dies vom Kopf bis zu den Zehen. Wenn es weint, dann mit jeder Pore seines kleinen Körpers. Es bewohnt ihn bis in den äußersten Winkel - Körpergefühl in Vollendung.

Und dann?
Tja, dann kommt die Erziehung und mit ihr die Zurechtweisung.
”Sitz gerade!“ - “Wipp nicht mit den Füßen!“ - “Steh aufrecht!“
Du kannst das gerne mit deinen eigenen Erfahrungen ergänzen …

Das Kind ist fest davon überzeugt, etwas falsch zu machen.
Und weil die Erwachsenen ja wissen, wie es richtig ist - kopiert es eben einfach deren Haltung. (So entstehen übrigens auch Fehlhaltungen, die oft als angeboren interpretiert werden, tatsächlich aber hausgemacht sind.)

Die dazugehörige Emotion pflanzt sich langsam aber tief ein und wird zur Dauer-(Ver)Stimmung.
Ganz nebenbei geht das Gefühl für den eigenen Körper meist völlig flöten.

Klingt vielleicht gruselig, ist aber kein Grund, verzweifelt in die Tischkante zu beißen, denn Haltung können wir trainieren - vor allem eine, die dir quasi in die Wiege gelegt wurde.
Und das Körpergefühl liefern wir auch gleich mit.

Am Anfang war … die natürlichen Grundhaltung des Körpers

Sie bedeutet Freiheit für Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder.
Und sie macht dich spontan reaktionsbereit.

Das heißt, du kannst aus dieser Haltung jede Emotion bewusst und intensiv erleben - spontan reagieren - und dann wieder in die Entspannung zurückfinden. 

Klingt gut? - Dann nix wie los mit der Praxis!

Wir beginnen von unten und arbeiten uns dann langsam nach oben:

Füße
Stell deine Füße schulterbreit auseinander und verteile das Gewicht gleichmäßig auf deine Fußsohlen. Deine Fußgelenke sind locker.
Für Frauen ist eine leichte V-Stellung der Füße aufgrund der Form ihres Beckens angenehmer. Männer können die Füße parallel stellen. 

Knie
Deine Knie sind leicht gebeugt und entspannt.
Deine Kniescheiben zeigen in die gleiche Richtung wie deine Zehenspitzen.

Becken und Wirbelsäule
Richte dein Steißbein nach unten aus und verlängere es gedanklich nach unten, so als ob du einen Känguru-Schwanz hättest, der auf dem Boden aufsetzt.
Dadurch kippt dein Becken etwas nach vorne und dein Rücken wird gerade.
Es ist, als ob du dich auf einen nicht vorhandenen, hohen Stuhl setzt.
Kontrolliere, ob dein Rücken ganz gerade ist. (z. B. vor einem Spiegel) 

Schultern und Arme
Lass deine Schultern einmal kurz nach hinten kreisen und dann locker fallen.
Ziehe deine Schulterblätter leicht - und entspannt - zusammen.
Arme und Hände kannst du seitlich hängen lassen - sie berühren den Körper dabei nicht.
Deine Hände sind leicht geöffnet - die Finger ziehen etwas nach unten. 

Kopf
Richte dein Kinn etwas nach unten hinten aus, sodass dein Scheitelpunkt nach oben zeigt, als ob er an einem imaginären Faden aufgehängt wäre.
Dadurch zieht er - zusammen mit dem Steißbein - deine Wirbelsäule sanft gerade. 

Atme bis tief in den Bauch, wachse mit dem Atem und entspanne.

Na, wie fühlt sich das an? 

Diese Haltung kannst du immer einnehmen, wenn du irgendwo “rumstehst“, z. B. in Warteschlangen, an der Bushaltestelle, …
So kannst du dich jederzeit erden und in Gelassenheit üben, ohne dass es jemand merkt (außer dir natürlich 😉).

Sie ist übrigens auch eine Form der Stehmeditation und nennt sich Zhan Zhuang.
In diesem Artikel findest du noch mehr Meditations-Möglichkeiten.

Magst du noch ‘ne Schippe drauflegen?

Sicher gibt es Situationen, in denen du immer wieder anders reagierst, als du eigentlich willst. Hier sind alte Muster am Werk, die sich über die Jahre eingespielt haben und ein bestimmtes Gefühl entstehen lassen, das wie von selbst aufzutauchen scheint. 

Und sicher weißt du ziemlich genau, wie du stattdessen lieber reagieren würdest, bzw. welches Gefühl dir in dieser Situation zuträglicher wäre. 

Gerade hast du gelernt, dass deine äußere Haltung Einfluss auf deine innere hat und wie gut sich die natürliche Grundhaltung des Körpers anfühlt. Was liegt da näher, als dieses Wissen entsprechend ein- und umzusetzen?

Finde deine “Wunschhaltung“

Die entspannt aufgerichtete Haltung bietet eine sehr gute Möglichkeit - wann immer nötig - gelassen und geerdet zu bleiben.
Aber manchmal gibt’s auch sehr spezielle Anforderungen an dein Gefühlsleben, die eine punktgenaue Lösung brauchen. 

Pick dir einfach mal so eine Situation aus deinem Alltag raus.
Vielleicht will dein Kollege gerade mal wieder eine unangenehme Aufgabe auf dich abwälzen, dein Kind den nächsten Aufstand proben oder dein Hund seine eigene Vorstellung von einer Gassi-Runde durchsetzen.

Überlege, wie du normalerweise reagierst und wie du zukünftig gerne reagieren möchtest.
Wie würdest du dich genau dann gerne fühlen?
Selbstbewusst, verständnisvoll, fokussiert, durchsetzungsstark, … 

Findest du eine Körperhaltung, die dieses Gefühl erzeugt?
Probier alle möglichen Positionen aus - egal wie seltsam sie aussehen mögen.

Du kannst z. B. stabil stehen, deine Hände nach vorne richten und den Kopf schütteln - dich locker an den Türrahmen lehnen und betont gelassen deine Arme verschränken - mit gezieltem Blick vor dich hin stapfen - oder auch einfach Samba tanzen.

Wichtig ist, dass es für dich passt und sich genau so anfühlt, wie du es dir vorstellst.
(Es bringt übrigens nichts, dich dabei von anderen “beraten“ zu lassen - denn DEIN Gefühl kannst nur DU “herstellen“.) 

Hast du deine Wunschhaltung gefunden?
Dann spüre sie vollkommen - physisch wie psychisch. Lerne sie immer besser kennen.
Ja, das ist wichtig, denn wie sagt man so schön: “Ein Stock im Arsch macht noch lange kein Rückgrat.“
Und dann nimm sie nächstes Mal, wenn du in diese bestimmte Situation kommst, einfach ein.

Geht nicht, weil es doof aussieht?
Okay, dann visualisiere sie – stell sie dir so intensiv wie möglich vor.
Ja, auch das funktioniert. Probier’s aus.

Und noch was:
Mach dir nicht zu viele Gedanken. Diese Haltung ist - wie fast alles - nicht in Stein gemeißelt und du kannst sie jederzeit weiter anpassen. Ist schließlich deine. 😉

Fazit

Wann immer du in eine herausfordernde Situation kommst, werde dir deiner Haltung bewusst. Passt das, was du fühlst und ausdrücken willst zum Kontext und - vor allem - zu dir

Wenn ja:
Super, weiter so! 

Wenn nein:
Nimm deine Wunschhaltung oder die natürliche Grundhaltung des Körpers ein und schau, was sich verändert. 

Das funktioniert vermutlich nicht von heute auf morgen und erfordert etwas Übung, aber es lohnt sich.

 

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